89 Justizia

Justizia

»Für die Rolle der Justitia habe ich Dich vorgesehen, Hermine. Hast Du schon eine Eingebung, wie du diese Rolle mit Leben füllen willst?«
Hermine war erleuchtet »Sie ist eine Göttin, nicht« strahlte sie den Regisseur an.

»Genau« retunierte der Regisseur, der die kindliche Begeisterungsfähigkeit Hermines oft als naive Durchdringungsarmut missinterpretierte.

»Ich denke, sie ist nackt« fuhr Hermine ungerührt fort.


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»Du wirst tanzen und singen als Justitia, Hermine« entgegnete der Regisseur mit trockener Humorlosigkeit. »Sie ist eine ernste Figur, keine erotische.«

»Aber sie ist eine Göttin« beharrte Hermine. »Sie ist da und doch nicht, sie ist Transzendenz und Reinheit, sie ist kein Teil der verschämten Sphäre der Menschen. Sie ist rein und klar« mit ausgebreiteten Armen lächelnd, bereits halb in der göttlichen Rolle konstituierte sie »sie ist nackt.«

Der Regisseur tat sich schwer seiner eigenwilligen und offenbar allzu ‘willigen’ jungen Schauspielerin etwas entgegenzusetzen, im Grunde hatte sie recht, man konnte die Entrücktheit dieser Figur durchaus so darstellen.

Noch einen letzten Versuch gestattete er sich: »Die Rolle ist umfangreich. Du wirst nicht nur ein paar Momente nackt auf der Bühne sein, sondern die vollen zwei Stunden des Stücks. Die Justitia ist beinahe immer anwesend, mal im Hintergrund, mal, während ihrer Reflektionen und blinden Entscheidungen, die Hauptfigur. Du wirst den ganzen Abend lang die einzige Nackte auf der Bühne sein, weitere Nacktheit ist in dem Stück nicht vorgesehen.«
All das schien Hermine nicht zu schrecken. »Das macht mir nichts« erklärte sie ungerührt.

Sie war erst vor wenigen Wochen in das Ensemble gekommen und war ihm von Anfang an durch ihre Offenheit und Freidenken aufgefallen. Sie strahlte ihn leidenschaftlich an, bereit sich der Kunst hinzugeben, sie war tatsächlich charismatischer, als ihm anfangs aufgefallen war.

»Nun gut, Hermine hat recht, wir werden die Rolle so gestalten.«
Damit war die Vorbesprechung abgeschlossen. Man erhob sich.

»Morgen früh beginnen die Proben, ich bitte alle, gut vorbereitet und pünktlich zu sein.«

2
Proben. Man versammelte sich. Zuletzt, wenige Minuten vor dem offiziellen Probenbeginn kam Hermine aus der Kulisse.

»Hermine, für die Proben ist es nicht notwendig, dass du bereits, naja, dein Kostüm trägst« er räusperte sich, ob des geringen Zutreffens seiner Worte.

»Aber es macht mir nichts aus« erklärte diese, die im Evaskostüm nun mitten auf der Bühne…

»Echter Sex würde die Intensität der Szene enorm steigern. Das Publikum würde gebannt zusehen…«

»Es ist kein Blümchen-Fick, sondern Roderich nimmt mich… ich meine Justitia… hart.«


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